Übersicht

Die Gruppenausstellung Systems of Subversion in der Galerie Kandlhofer in Wien versammelt drei künstlerische Positionen, die Freiheit nicht darstellen, sondern als Haltung und kollektive Erfahrung praktizieren. Paulina Aumayr, Allen-Golder Carpenter und Thomas Supper arbeiten an den Grenzen ihrer jeweiligen Medien und hinterfragen gesellschaftliche, kulturelle und materielle Systeme. Sie lösen bestehende Grenzen auf und verändern Strukturen von innen heraus, statt sie nur zu kritisieren.

 

Paulina Aumayr erforscht in ihrer Malerei Körper, Gewalt und weibliche Erschöpfung. Ihre Arbeiten machen strukturelle Machtverhältnisse sinnlich erfahrbar und verwandeln feministischen Widerstand in Farbe und Geste. Allen-Golder Carpenter verbindet in seinen Installationen Jazz, Hip-Hop und visuelle Medien zu einer politischen Sprache von Freiheit, kultureller Identität und Protest. Thomas Supper schließlich untersucht Prozesse des Vergehens und der Transformation. Seine Werke unterwandern ästhetische und materielle Systeme und zeigen, wie Form und Materie sich auflösen und dennoch fortbestehen können.

 

Die Ausstellung Systems of Subversion zeigt, wie Kunst Strukturen verschieben kann – wie Freiheit als Prozess, Grenzüberschreitung als Methode und Subversion als geteilte Praxis verstanden werden kann. Es entsteht ein Raum der Übergänge, in dem Klang, Material und Körper sich überlagern zu einer Polyphonie aus Widerstand, Bewegung und Veränderung.

 

Text von Luisa Seipp

Werke
Pressemitteilung

Systems of Subversion

“The function of freedom is to free someone else.”

— Toni Morrison

 

Freiheit sollte kein individueller Zustand, sondern eine Praxis des Teilens sein. Wer frei ist, trägt Verantwortung, diese Freiheit weiterzugeben. An andere Körper, Stimmen, Materialien. In diesem Sinne versammelt die Ausstellung drei künstlerische Positionen, die Freiheit nicht darstellen, sondern praktizieren als Bewegung und kollektive Erfahrung. Systems of Subversion zeigt, wie Kunst festgefahrene Strukturen verschieben kann, wie Freiheit als Prozess, Grenzüberschreitung als Methode und Subversion als geteilte Praxis verstanden werden kann. Allen-Golder Carpenter, Paulina Aumayr und Thomas Supper verbindet, dass sie aus unterschiedlichen Medien heraus Grenzen auflösen und Systeme von innen heraus verändern, statt sie nur zu kritisieren. 

 

Der in Washington D.C. geborene Allen-Golder Carpenter verbindet in seinen Arbeiten Skulptur, Sound, Malerei und Fotografie zu einem polyphonen Geflecht, das kulturelle Identität, Überwachung und Bewegung verhandelt. Im Zentrum steht die Frage, wie physische und symbolische Grenzen entstehen und sich wieder auflösen lassen.

In der Installation Jazz Window (2025) wird dieses Prinzip unmittelbar erfahrbar. Bedruckte Stoffbahnen mit Zaunmotiven hängen frei im Raum und werden von Ventilatoren in Bewegung versetzt. Die vermeintliche Barriere beginnt zu atmen, Grenzstrukturen geraten ins Fließen. Die Illusion des Zauns verweist auf nationale Kontrolle, Deportation und staatliche Gewalt sowie zugleich auf das utopische Moment von Bewegungsfreiheit. Ein weiteres Werk zeigt Masken am Boden als Relikte gewaltsamer anonymer Autorität, die die Ästhetik urbaner Subkultur zitieren und umkehren.

Begleitet wird die Installation von Jazzmelodien John Coltranes, Hip-Hop, Rap und Carpenters eigenen Klarinettenaufnahmen. Für ihn ist Jazz nicht nur ein Musikgenre, sondern ein historisches Medium Schwarzer Selbstermächtigung, Improvisation und Widerständigkeit. In seinen neu komponierten Stücken lösen sich so die Grenzen zwischen den einzelnen Genres auf und die Dynamik zwischen Ursprung und Aneignung – vom „Black Protest Sound“ zur weißen Hochkultur – wird neu verhandelt.

Auch mittels Malerei und Fotografie untersucht Carpenter Sichtbarkeit und Zensur Schwarzer Erfahrung. Während seine geschwärzten Malereien und Siebdrucke wie zensierte Bilder wirken, zeigen seine Fotografien Szenen aus Washington D.C., wie etwa Go-Go-Musikfeste, Straßenproteste, Familienmomente. Das Nebeneinander von Community-Life und militärischer Präsenz, von Musik und Überwachung, wird zur Metapher gesellschaftlicher Widersprüche. Carpenters transmediales Werk verbindet Sound, Bewegung und Bildsprache zu einem politischen Manifest über Grenzen, individuelle und kollektive Identität.

 

Paulina Aumayr untersucht in ihrer Malerei die Mechanismen von Macht und Körperlichkeit mittels einer Bildsprache, die stets an der Schwelle zwischen Intimität und Aggression steht. In der Werkserie Bis meine Haut zu Leder wird (2025) verdichtet sie diese Spannung zu einem körperpolitischen Bild. Die Haut als Grenze zwischen Innen und Außen, als Ort von Berührung und Verletzung, romantischer Zärtlichkeit und sexueller Bedrohung. 

Aumayrs Malerei macht Gewalt spürbar, nicht nur sichtbar. Hunde mit gefletschten Zähnen erscheinen wiederholt als Chiffren einer bedrohlichen Maskulinität. Gleichermaßen geht es um jene bestimmten Körper, die aushalten und weitermachen bis zur sogenannten „affective exhaustion“, wie es die feministische Theoretikerin Sara Ahmed nennt. Eine Müdigkeit, die aus dem dauerhaften Widerstand selbst entsteht, und die Aumayr in ihrem neuen Werk Bis ihr genauso müde seid wie ich. / Männer (Hunde) (2025) verarbeitet. Demnach geprägt sind ihre Serien von Wiederholungen als Widerstand sowie Ermüdung als Form des Protests. „Es passiert, weil es nicht aufhört zu passieren“, sagt Aumayr.

In den installativen Arbeiten Der Geschmack von Metall, erstick daran (2025)und Eintausendeinhundert Klingen für dich (2025) überführt die Künstlerin die Malerei in den dreidimensionalen Raum. Das Bett und das Kissen, Sinnbilder von Geborgenheit, werden mit der konfrontativen Motivik ihrer malerischen Bildsprache oder gar mit scharfen Klingen überzogen. Weichheit trifft auf Gefahr, Intimität auf Verletzung und Privates auf Entblößung. Diese Kippmomente ziehen sich durch ihr gesamtes Werk. Aumayr macht sichtbar, wie Gewaltstrukturen in den Alltag eindringen und wie Kunst Räume schaffen kann, in denen Wut, Schmerz und Stärke nebeneinander existieren dürfen.

 

Thomas Supper beschäftigt sich mit der Frage, wie Material vergeht und was bleibt, wenn Form und Substanz sich auflösen. Seine Serie Reduktionen (seit 2023) beginnt mit einem einzigen schwarzen Gemälde, das immer wieder in Bronze gegossen wird. Mit jedem Abguss schrumpft das Bild, verliert Schärfe, Masse und Kontur. Das Werk dokumentiert seinen eigenen Schwund. Eine allmähliche Abstraktion, in der Reproduktion zur Reduktion wird. Jede Bronze trägt Spuren der vorherigen, ein Kreislauf von Verlust und Transformation, bis sie gänzlich verschwindet. Supper beschreibt diese Arbeit als „ein Bild, das sich selbst aufhebt“. Nach dem Guss versieht er jede Oberfläche mit einer Patina, wodurch malerische Elemente in die skulpturale Form übergehen. 

Suppers künstlerische Praxis bewegt sich meist zwischen Konzept und Prozess sowie Kontrolle und Zufall. Seine Arbeiten entstehen aus der Beobachtung von Materialreaktionen und physikalischen Transformationen. Fast so, als würde das Werk sich selbst erschaffen und zugleich wieder auflösen. Wie Carpenter und Aumayr unterwandert auch Supper bestehende Systeme – nicht gesellschaftliche und politische, sondern materielle. Er zeigt, dass Subversion nicht immer laut sein muss, sondern auch in der stillen Erosion der Form liegen kann.

 

Gemeinsam erzeugen die drei Künstler*innen ein dichtes Geflecht aus Klang, Material, Farbe und Körper, überschreiten mediale und semantische Grenzen. Die interdisziplinären Arbeiten von Aumayr, Carpenter und Supper teilen eine ästhetische und politische Geste. Sie unterwandern bestehende Systeme, indem sie deren Strukturen offenlegen und zugleich durchlässig machen.

Systems of Subversion zeigt, dass Freiheit nicht in der Abwesenheit von Systemen liegt, sondern in deren ständiger Neuverhandlung. Transmedialität, Hybridität und Subversion werden hier zu Praktiken des Sehens, Fühlens und Herstellens, und Freiheit als fortlaufender Prozess – als etwas, das stets weitergegeben wird.

 - Text von Dr. Luisa Seipp