Hermann Nitsch

9 Juni - 31 Juli 2022
Übersicht

 

 

„farbe wird auf eine fläche geschüttet und gespritzt und dann eine breiige farbmasse auf das bild geschmiert. der malprozess wird zu einem realen ereignis. theater findet auf der perspektivischen ebene statt. ich sage immer, dass die malerei des O.M. theaters die visuelle grammatik meines theaters auf einer solchen fläche ist. die eigentliche aktion, das eigentliche aktionstheater verlässt die zufluchtsorte der malerei selbst und geht über den raum hinaus in die totale ealität.“

- Hermann Nitsch 

 

Hermann Nitsch (* 1938 in Wien, † 2022) gilt als der entscheidende Begründer des Wiener Aktionismus und zählt als Aktionskünstler, Maler, Komponist und Bühnenbildner zu den vielseitigsten Künstlern der Gegenwart. Sein Gesamtkunstwerk, das Theater der Orgien und Mysterien, umfasst das breite Spektrum seiner Kunst, indem es alle fünf Sinne anspricht.

 Ab 1960 fanden erste Malaktionen des Künstlers statt, die bereits die Idee eines Orgien- und Mysterientheaters zu verwirklichen suchten. Die Aktionen, die sich um die intensive sensorische Erfahrung verschiedener Substanzen und Flüssigkeiten drehen, wurden in den darauffolgenden Jahren immer provokanter. Nach Schrei- und Geräuschaktionen, die als Abreaktionsspiele konzipiert waren, unternahm Nitsch die Zerstückelung von Lämmern, was zu weiteren Aktionen mit Fleisch führte. Nachdem das Theater Ende der 1960er Jahre in den USA und in Deutschland ein durchschlagender Erfolg war, führte Nitsch in den 1970er Jahren zahlreiche Aktionen in europäischen und nordamerikanischen Städten auf. 1971 konnte Nitsch das Schloss Prinzendorf in Niederösterreich aus dem Besitz der Kirche erwerben. Der Kauf, ermöglichte ihm, seine musikalischen Ideen für das Theater nun auch in groß angelegten Aktionsaufführungen zu realisieren. Geräuschorchester, Schrei-Chöre und elektronisch verstärkte Instrumente spielten dabei eine Rolle. 

 

Höhepunkte von Hermann Nitschs Projekten sind das dreitägige Theaterstück von 1984 in Prinzendorf oder der 1987 in der Wiener Secession entstandene Zyklus von Schüttbildern. Im Jahr 1998 fand auch die Verwirklichung seines Orgien-Mysterientheaters in Form eines 6-tage-spiels statt. 24 Jahre nach der ursprünglichen Realisation, soll in diesem Sommer das Gesamtkunstwerk erneut als konzentrierte Fassung in einer Aufführung des 1. und 2. Tages vollzogen werden. Die Darbietung findet am 30. und 31. Juli statt. Schauplatz der Aktion ist die Schlossanlage in Prinzendorf mit all ihren Räumlichkeiten sowie der umliegenden Landschaft des niederösterreichischen Weinviertels. 

 

Seit den 1990er Jahren wird Nitschs Kunst zunehmend in einer Reihe von Ausstellungen gewürdigt, die häufig von performativen Aktionen des Künstlers begleitet wurden. Von besonderer Bedeutung sind die beiden großen Retrospektiven in der Sammlung Essl (2003) und im Gropius Bau Berlin (2007) sowie die Würdigung Nitschs durch eine Ausstellung in der Albertina in Wien (2019).

 

 Hermann Nitsch lebte und arbeitete auf Schloss Prinzendorf an der Zaya, Niederösterreich, sowie in Asolo, Italien. Seine Werke werden in den beiden Nitsch-Museen in Mistelbach und Neapel sowie in der Nitsch-Stiftung in Wien und in renommierten internationalen Museen und Galerien ausgestellt. Das Credo des Künstlers lautete „meine arbeit soll eine schule des lebens, der wahrnehmung und der empfindung sein und mit allen fünf sinnen erfahren werden“. In diesem Sinne widmet sich die Ausstellung in der Galerie Kandlhofer der Präsentation diverser Werke aus unterschiedlichen Schaffensphasen, welche die BetrachterInnen unter Einbeziehung interaktiver Methoden einladen, seine Kunst mit allen Sinnen zu erfahren. Zu den ausgestellten Werken gehören Arbeiten der Bayreuth Walküre, Neue und Historische Arbeiten (1960 - 2022), Graphische Arbeiten, sowie die Installation eines  Synästhesieraums, der zu einer sensuellen Erfahrung anregt.

 

Der Universalkünstler Hermann Nitsch wurde von den Bayreuther Festspielen eingeladen, im Sommer 2021 eine konzertante Version von Richard Wagners „Die Walküre“ szenisch zu begleiten. Für alle drei Akte konzipierte der Künstler eine umfangreiche Malaktion, die bei der Partitur mithilfe von zehn MalassistentInnen Szene für Szene in leuchtende Farben transformiert wurde. Pro Aufführung wurden über 1000 Liter Farbe verschüttet. Die daraus entstandenen Boden- und Wandschüttbilder gelten als Basis für die Gesamtinstallation. Eine der in Bayreuth entstanden Arbeiten in eindrucksvoller Dimension (5x5m), bildet das Herzstück der Ausstellung in der Galerie Kandlhofer. Das Werk wird von einigen goldbestickten Hemden umrahmt, die das Gemälde in eine raumgreifende Installation verwandeln. Neben dem großformatigen Schüttbild, bestehen weitere Arbeiten aus den Jahren 2000 - 2020 aus einer umfangreichen Farbpalette aus leuchtenden Tönen, mit intensivem Cluster und reliefartiger Haptik. So wie Nitsch in seiner Musik eine Sphärenmusik anstrebte, so bündelte er in seiner Malerei das Licht der Farben.

 

Als Besonderheit der Ausstellung gilt der Synästhesieraum (audiovisuelle Gestaltung: Frank Gassner), welcher erstmalig in einer Wiener Galerie präsentiert wird. Das Konzept der Synästhesie hat Nitsch immer wieder inspiriert. Er verband Farben und Klänge, Malerei und Literatur, Musik und Architektur, Bewegung und Stille, was in der Installation des Synästhesieraums in der Galerie Kandlhofer zu erleben ist. Die Installation lädt dazu ein, sich von der Musik umhüllt, dem Farbenspiel der Bilder hinzugeben. Die gezeigte monotyptichonale Arbeit erhält die im Videoraum erlebte visuelle Gleichzeitigkeit der vier Projektoren durch ihre Paketierung und destilliert daraus erneut Sinn- und Bildbezüge. Auch die zeichnerischen und druckgrafischen Arbeiten stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Gesamtwerk und sind unmittelbare Werkteile. Hermann Nitsch arbeitete seit den 1980er-Jahren im druckgrafischen Bereich und erzeugte ein umfangreiches Oeuvre. Die Basis der Drucke bildet die Architekturzeichnung, sie ist Ausgangspunkt und Motiv für den Großteil der editierten Grafiken. Seit 1991 arbeitete Hermann Nitsch mit Kurt Zein zusammen. Diese Periode ist gekennzeichnet durch die beeindruckende Erweiterung der drucktechnischen Möglichkeiten, die sich selbstverständlich gravierend auf die Ergebnisse niederschlugen, die in einem aufwändigen Prozess von etlichen Bearbeitungsschritten hergestellt wurden. So wurde z. B. auf Originalen gedruckt, auf Büttenpapier, auf Blättern, die einzeln mit Blut beschüttet oder aktionistisch bemalt wurden; die Farben wurden im Druckverfahren blattweise verändert, immer präzise abgestimmt, etliche  Platten wurden in komplizierten Verfahren übereinander gedruckt. Das jüngste monumentale Werk im Bereich der Grafik ist das großformatige, hebräisch-deutsche Kunstbuch LEVITIKUS, das Hermann Nitsch gemeinsam mit dem Verleger Har-El in einer Auflage von 16 Stück herausgab. Es bezieht sich auf das dritte Buch Mose, das über die Opferriten im Tempel von Jerusalem berichtet. Dem Werk beigelegt sind zwölf Terragraphien, Siebdrucke mit Sand, deren materiale Oberflächenstruktur sich an die Beschaffenheit der Schüttbilder annähert.

 

Werke
Pressemitteilung

 

„paint is poured and splashed onto a surface and then smeared, pulpy color mass is smeared upon the picture. the painting process becomes a real happening. theatre occurs on the perspective plane. I always say that the painting of the O.M. theatre is the visual grammar of my theatre on such a surface. the intrinsic action, the intrinsic action theatre leaves the places of refuge of the painting itself and goes beyond space to total reality.“

- Hermann Nitsch

 

 

Hermann Nitsch (* 1938 in Vienna, † 2022) is regarded as the decisive founder of Viennese Actionism. As an action artist, painter, composer and stage designer, he is one of the most versatile contemporary artists. His Gesamtkunstwerk, the Theater of Orgies and Mysteries, encompasses the broad spectrum of his art by appealing to all five senses.

 

Beginning in 1960, the artist's first painting actions took place, which already sought to realize the idea of a theater of orgies and mysteries. The actions, which revolved around the intense sensory experience of various substances and liquids, became increasingly provocative in the following years. After scream and noise actions conceived as abreaction plays, Nitsch undertook the dismemberment of lambs, which led to further actions involving meat. After the theater was a resounding success in the U.S. and Germany in the late 1960s, Nitsch performed numerous actions in European and North American cities in the 1970s.  In 1971, Nitsch was able to purchase Prinzendorf Castle in Lower Austria from the Catholic Church. The purchase, enabled him to now realize his musical ideas for theater in large-scale action performances. Noise orchestras, screaming choirs and electronically amplified instruments played a role. 

Highlights of Hermann Nitsch's projects are the three-day theater piece of 1984 in Prinzendorf or the cycle of Schüttbilder created in 1987 in the Vienna Secession. In addition, in 1998 the realization of his Orgies Mystery Theater took place in the form of a 6-day play. 24 years after the original realization, this summer the Gesamtkunstwerk will be performed again as a concentrated version in a performance of the 1st and 2nd day. The performance will take place on July 30 and 31. The setting for the action is the castle complex in Prinzendorf with all its rooms as well as the surrounding landscape of the Lower Austrian Weinviertel.

 

Since the 1990s, Nitsch's art has been increasingly honored in a series of exhibitions, often accompanied by performative actions by the artist. Of particular importance are the two major retrospectives at the Essl Collection (2003) and the Gropius Bau Berlin (2007), as well as the tribute to Nitsch through an exhibition at the Albertina in Vienna (2019).

 

Hermann Nitsch lived and worked at Prinzendorf an der Zaya Castle, Lower Austria, and in Asolo, Italy. His works are exhibited in the two Nitsch Museums in Mistelbach and Naples as well as in the Nitsch Foundation in Vienna and in renowned international museums and galleries.

 

 

The artist's credo was "my work should be a school of life, perception and sensation and should be experienced with all five senses". In this sense, the exhibition at Galerie Kandlhofer is dedicated to the presentation of diverse works from different creative phases, which invite the viewer to experience his art with all the senses by incorporating interactive methods. The exhibited works include works from the Bayreuth Valkyrie, New and Historical Works (1960 - 2022), Graphic Works, as well as the installation of a synesthesia room that encourages a sensory experience.

 

Universal artist Hermann Nitsch was invited by the Bayreuth Festival to provide scenic accompaniment for a concert version of Richard Wagner's "Die Walküre" in the summer of 2021. For all three acts, the artist conceived an extensive painting campaign, which was transformed into bright colors scene by scene with the help of ten painting assistants during the score. Over 1000 liters of paint were spilled per performance. The resulting floor and wall paintings are considered the basis for the overall installation. One of the works created in Bayreuth, in impressive dimensions (5x5m), forms the centerpiece of the exhibition at Galerie Kandlhofer. The work is framed by a number of gold-embroidered shirts that transform the painting into an installation. In addition to the large-scale Schüttbild, other works from 2000 - 2020 consist of an extensive color palette of bright tones, with intense clusters and relief-like haptics. Just as Nitsch aspired to a music of the spheres in his music, he clustered the light of colors in his painting.

 

A special feature of the exhibition is the synesthesia room (audiovisual design: Frank Gassner), which is presented for the first time in a Viennese gallery. The concept of synesthesia has inspired Nitsch again and again. He combined colors and sounds, painting and literature, music and architecture, movement and stillness, which can be experienced in the installation of the synesthesia room at Galerie Kandlhofer. The installation invites you to surrender to the play of colors in the pictures, enveloped by the music. The monotype tonal work on display maintains the visual simultaneity of the four projectors experienced in the video room through their packaging and distills meaning and pictorial references from it once again.

 

The drawings and prints are also inseparably connected to the work as a whole and are immediate parts of the work. Hermann Nitsch has been working in the field of printmaking since the 1980s and has produced an extensive oeuvre. The basis of the prints is the architectural drawing, it is the starting point and motif for the majority of the edited graphics. Since 1991 Hermann Nitsch worked together with Kurt Zein. This period is characterized by the impressive expansion of printing possibilities, which of course had a serious impact on the results, which were produced in an elaborate process of several editing steps. For example, printing was done on originals, on handmade paper, on sheets that were individually covered with blood or painted in an actionistic way; the colors were changed sheet by sheet in the printing process, always precisely matched, several plates were printed on top of each other in complicated procedures. The most recent monumental work in the field of graphic art is the large-format, Hebrew-German art book LEVITIKUS, which Hermann Nitsch published together with the publisher Har-El in an edition of 16. It refers to the third book of Moses, which reports on the sacrificial rites in the temple of Jerusalem. The work is accompanied by twelve terragraphs, silkscreen prints with sand, whose material surface structure approximates the texture of the pouring pictures.

 

Ausstellungsansichten